GRAMMERS STANDPUNKT ZUR ERGONOMIE − INTERVIEW MIT FLORIAN SCHNEIDER
Da die Abhängigkeit von Maschinen und Fahrzeugen in unserer modernen Gesellschaft weiter zunimmt, wird es immer wichtiger, der Integration ergonomischer Prinzipien im Arbeitsbereich Vorrang einzuräumen, insbesondere wenn es um das Fahren von Maschinen geht. Wir hatten die Gelegenheit, dieses Thema mit Florian Schneider, Development Engineer Ergonomics und tätig bei GRAMMER, zu vertiefen. Herr Schneiders umfangreiches Wissen und seine Erfahrung beleuchten die tiefgreifenden Auswirkungen der Ergonomie auf das Wohlbefinden und die Gesamtleistung des Bedieners.
Seien Sie dabei, wenn wir die Bedeutung der Ergonomie bei Fahrmaschinen erforschen, praktische Erkenntnisse gewinnen und Strategien für die Schaffung ergonomischer Arbeitsumgebungen entdecken, die Sicherheit, Komfort und Effizienz in den Vordergrund stellen. Machen Sie sich bereit, Ihre Herangehensweise an die Maschinenbedienung aus der Optik der Ergonomie zu revolutionieren − mit dieser lehrreichen Reise durch GRAMMERs Sichtweise auf die Ergonomie.
Wie können Fahrer frühzeitig erkennen, dass ihr Arbeitsplatz ergonomisch nicht optimal gestaltet ist? Welche körperlichen Anzeichen können darauf hinweisen?
„Es ist wichtig, dass die Fahrer sich selbst beobachten und sich während des Arbeitstages auf ihren eigenen Körper konzentrieren. Zu den Warnsignalen des Körpers gehören Verspannungen und jegliche Art von Schmerzen im Nacken, in den Schultern und im Allgemeinen auch im Rücken. Aber auch Taubheitsgefühle, zum Beispiel in den Oberschenkeln oder Füßen, Müdigkeit und Konzentrationsprobleme können Alarmsignale sein. Dann ist es wichtig, herauszufinden, was die Ursache sein könnte: Äußere Faktoren wie Zeitdruck oder Stress? Eine Art Zwangshaltung, die bei der Bedienung der Maschine über einen längeren Zeitraum eingenommen wird? Eine unbequeme Sitzposition? Oder ein abgenutzter oder gar defekter Fahrersitz?“
Welche einfachen Änderungen kann der Fahrer selbst vornehmen − und damit die Zeit, die er in der Fahrerkabine verbringt, auf lange Sicht angenehmer und nachhaltiger gestalten?
„Erstens: Die Maschine nicht sofort nach dem Einsteigen starten. Jede Minute, die sich der Fahrer zu Beginn des Arbeitstages nimmt, um seinen Arbeitsplatz in der Fahrerkabine individuell einzurichten, kommt seiner Gesundheit zugute. Was bedeutet das? Es ist ganz einfach, sich mit dem Fahrersitz und seinen Einstellmöglichkeiten vertraut zu machen.. Und dann die richtigen Einstellungen vorzunehmen: individuell, auf den eigenen Körper abgestimmt. Dazu gehört zum Beispiel zu wissen, mit welcherArt von Federung der Fahrersitz ausgestattet ist und ob er sich manuell oder automatisch auf das eigene Körpergewicht einstellen lässt. Entscheidend für die Einstellung der Dämpfung ist der Untergrund, auf dem gefahren wird. Auf ebener Straße sollte die Dämpfung möglichst weich und sensibel sein − je unebener das Gelände, desto wichtiger wird die Dämpfung, um ein „Hüpfen“ des Sitzes zu verhindern. Prüfen Sie auch, ob der Abstand zu den Pedalen, zum Lenkrad und zu den Bedienhebeln angemessen ist.“
„In einer Umfrage unter 174 Lkw-Fahrern haben wir leider festgestellt, dass nur wenige die verfügbaren Einstellfunktionen voll ausschöpfen: Nur 25% gaben an, ihren Sitz zu Beginn jeder Fahrt neu einzustellen, und die meisten Fahrer nutzen auch nicht die Möglichkeit, ihre Sitzeinstellungen während der Fahrt zu ändern, obwohl 59% angaben, mit allen Sitzfunktionen vertraut zu sein.“
Welche Schritte sollte ein Fahrer unternehmen, um eine korrekte Körperhaltung einzunehmen?
„Grundsätzlich gilt: Sitzen, vor allem über längere Zeiträume, ist nicht gut für unseren Bewegungsapparat. Schließlich sind wir aus evolutionärer Sicht Läufer, die den ganzen Tag in Bewegung sind. Außerdem ist jeder Mensch anders gebaut und hat individuelle Komfortbedürfnisse, wenn es um das Sitzen geht. Es gibt also nicht die ‚ideale‘ Sitzhaltung. Es gibt aber Empfehlungen für ergonomisch günstige Sitzhaltungen. Zunächst einmal spielt der Sitz selbst die Hauptrolle. Er bietet die bestmögliche Unterstützung für den Körper durch ein körpergerechtes Design, vielfältige Einstellmöglichkeiten, effektive Federungssysteme und Schwingungsdämpfung.
Um eine optimale Sitzeinstellung zu gewährleisten, wird die folgende Reihenfolge empfohlen:
- Schieben Sie Ihren Rücken und Ihr Gesäß gegen die Rückenlehne.
- Wählen Sie die Längsposition des Sitzes, um den richtigen Abstand zu den Pedalen, dem Lenkrad und den Bedienhebeln zu gewährleisten. Idealerweise sollten Sie Ihre Beine nicht ganz durchstrecken, um die Pedale zu bedienen
- Stellen Sie die Federung auf Ihr Körpergewicht ein
- Stellen Sie die Sitzhöhe so ein, dass Sie eine optimale Sicht auf die Instrumente und die Fahrzeugumgebung haben
- Stellen Sie die Sitz-/Polsterneigung nach Ihren persönlichen Anforderungen ein
- Stellen Sie die Neigung der Rückenlehne nach Ihren persönlichen Vorlieben ein (empfohlen wird ein Neigungswinkel von ca. 10° zur Senkrechten und 100° zum Oberschenkel)
- Stellen Sie die Lendenwirbelstütze so ein, dass der obere Rand Ihres Beckens nicht nach hinten ‚kippt‘
- Stellen Sie die Länge des Sitzkissens so ein, dass eine gute Abstützung der Oberschenkel gewährleistet ist. Als Faustregel gilt, dass zwischen Sitzkante und Kniekehle zwei Fingerbreit Platz sein sollte
- Stellen Sie die Höhe und Neigung der Armlehnen ein
- Stellen Sie die Höhe und Neigung des Lenkrads ein
- Aktivieren Sie bei Bedarf die Sitzheizung und -belüftung
- Aktivieren Sie bei Bedarf das Massagesystem
Während eines langen Arbeitstages im Sitzen ist es hilfreich, die Körperhaltung hin und wieder aktiv zu verändern. Eine häufig zitierte Regel besagt, dass die nächste Haltung die beste ist. Aber was bedeutet das genau? Ganz einfach: Spannen Sie in kurzen Pausen die Bein- oder Gesäßmuskeln an, richten Sie den Oberkörper auf, beugen und strecken Sie sich nach vorne, bewegen Sie die Schultern nach hinten und nach unten, ziehen Sie das Kinn in Richtung Brustbein, usw. Dies beinhaltet jedoch nicht die Änderung der Sitzeinstellungen, die Sie zu Beginn gewählt haben.“
Kann sich die richtige Anwendung ergonomischer Regeln positiv auf die psychische Gesundheit des Fahrers auswirken?
„Zweifelsohne. Ein gut eingestellter Sitz ermöglicht eine gute Körperhaltung und bietet damit die beste Grundlage für ein optimales und reibungsloses langfristiges Funktionieren von Mensch und Maschine. Und nicht nur das: Der Fahrer kann sich bestmöglich auf seine Aufgaben konzentrieren, bleibt motiviert und arbeitet effizient.“
Kann die korrekte Anwendung der ergonomischen Regeln auch positive Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit des Fahrersitzes/der Maschine haben?
„Auf jeden Fall, denn auch hier ist der Fahrersitz das zentrale Element eines ergonomisch optimalen Arbeitsplatzes. Bei richtiger Anwendung von Technik und Einstellmöglichkeiten erhöht sich auch die Lebensdauer und damit im besten Sinne die Nachhaltigkeit. Nehmen Sie zum Beispiel die Federung: Richtig eingestellt, verhindert sie häufiges ‚Hüpfen‘ und damit Verschleißerscheinungen. Grammer legt zudem großen Wert auf intuitive Bedienbarkeit und ‚selbsterklärende‘ Sitzfunktionen − so reduzieren wir das Risiko von Fehlbedienungen, vermeiden Störungen oder Reparaturen und erhöhen zudem die Lebensdauer.“
Was kann ein Fahrer außer dem Fahrersitz noch tun, um die Fahrerkabine und die Umgebung ergonomischer zu gestalten?
„Achten Sie auf alles, was Ihr persönliches Wohlbefinden positiv beeinflusst: Dazu gehört die Anpassung der Kabinentemperatur an Ihre individuelle Wohlfühlzone. Achten Sie außerdem darauf, dass Sie ausreichend trinken und essen. Ein gut organisiertes Umfeld trägt ebenfalls zum Wohlbefinden bei: Hat der Fahrer alles im Blick, sind alle notwendigen Dinge in Reichweite? Stehen persönliche Schutzausrüstungen wie Gehörschutz oder Handschuhe zur Verfügung, um sicherer zu arbeiten?“
Sind Schäden am Rücken/Körper eines Fahrers in der Regel irreversibel?
„Auf diese Frage gibt es keine allgemeine Antwort. Rückenschmerzen sind in der Regel das Ergebnis des Zusammenspiels vieler verschiedener Faktoren. In jedem Fall sollten Sie einen Arzt aufsuchen, um herauszufinden, woran es liegt: Handelt es sich um eine akute Erkrankung oder sind die Beschwerden durch Fehlhaltungen, Fehlbelastungen oder Ähnliches bedingt? Im letzteren Fall hilft ein konsequentes Trainingsprogramm, einen großen Teil der Rückenschmerzen ‚wegzutrainieren‘. Dazu gehören die Stärkung der Haltungsmuskulatur, regelmäßiges Dehnen sowie die Verbesserung von Ausdauer und Flexibilität. Darüber hinaus können Fahrersitze mit individuellen Einstellmöglichkeiten, optimaler Schwingungsdämpfung und leistungsfähigen Federungssystemen, wie sie Grammer im Portfolio hat, beispielsweise bei schwingungsbedingten Zuständen die bestmögliche Unterstützung bieten.“
Welche effektiven Streckübungen oder ergonomischen Pausen können Autofahrer in ihre tägliche Routine einbauen? Und gibt es Übungen, die ein Fahrer zu Hause machen kann, um sich auf langes Sitzen vorzubereiten?
„Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten für ergonomische Pausen, auch bei kurzen Wartezeiten während des Arbeitsprozesses, in denen die Fahrer sitzen bleiben. Fangen wir mit diesen an:
Vor dem Beginn des Arbeitstages:
- Machen Sie sich mit den individuellen Einstellmöglichkeiten des Fahrersitzes vertraut UND nutzen Sie diese.
Während der Fahrzeit:
- Variieren Sie so oft wie möglich Ihre Körperhaltung leicht: Beugen Sie sich vor, strecken Sie den Oberkörper, runden Sie den Rücken und richten Sie ihn wieder auf, senken Sie die Schultern, spannen Sie die Gesäß- und Oberschenkelmuskulatur an
- Aktivieren Sie das Massagesystem
Im Stand (Stau, Ampel, kurze Pausen):
- Kleine Übungen im Sitzen: Hände gegeneinander drücken, Schultern rollen, Schultern gegen die Rückenlehne drücken, Hände auf die Oberschenkel legen und die Beine dagegen drücken, Oberkörper in beide Richtungen drehen
In den Pausen:
- Mindestens fünf Minuten gehen, um Kreislauf und Atmung anzuregen und Müdigkeit zu vertreiben
- Stretching, Kniebeugen
Nach Beendigung der Arbeit für den Tag:
- Jede Art von Sport: Joggen, Radfahren, Schwimmen, Gymnastik, Mannschaftssportarten, Workouts
- Wenn Sie keine Gelegenheit dazu haben, gehen Sie so viel wie möglich
- Kraftübungen mit dem eigenen Körpergewicht
- TGrundsätzlich gilt: Täglich ein paar Minuten sind besser als einmal pro Woche eine Stunde
„Wenn Sie die Möglichkeit haben, aus Ihrem Fahrzeug auszusteigen, tun Sie das. Umso besser, wenn Sie ein paar Gehminuten vom Rastplatz entfernt parken können. Untersuchungen haben ergeben, dass ein 5-minütiger Spaziergang die Müdigkeit wirksam bekämpft. Die beste Angewohnheit wäre es, regelmäßig Sport zu treiben, z. B. zu Hause oder, wenn möglich, im Freien, mit Gewichten, Yoga, Laufen/Wandern usw. Ein paar Minuten pro Tag sind besser als eine lange Runde einmal pro Woche.“
Wie tragen Grammer-Fahrersitze zur Gesunderhaltung der Fahrer bei?
„Wir verfügen über jahrzehntelange Erfahrung und Innovation in der Sitztechnologie. Unsere passiven und aktiven Federungs- und Dämpfungssysteme setzen seit Jahrzehnten messbare Maßstäbe in der Branche. Grammer-Innovationen erleichtern den Arbeitsalltag. Ein Beispiel ist Dualmotion: Die adaptive Rückenlehne dreht sich mit dem Oberkörper nach hinten, wenn der Fahrer über die Schulter blickt. Dadurch wird die Unterstützung durch den Fahrersitz verbessert, die Ermüdung der Muskeln beim Rückwärtsfahren verringert und die Sicht auf mögliche Hindernisse in der Umgebung des Fahrzeugs verbessert. Darüber hinaus fließen bei Grammer stets die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Sitzentwicklung ein: Dazu gehören Wirbelsäulenforschung, Ergonomie, Psychophysiologie, Anpassung an Körpereigenschaften, menschliche Wahrnehmung und vieles mehr. Dieses wertvolle Know-how nutzen wir, um den Arbeitsplatzsitz ergonomisch und anforderungsgerecht zu gestalten und moderne, leistungsfähige Produkte anzubieten. Unser Schwerpunkt liegt auf der kontinuierlichen Verbesserung des Komforts in all seinen Formen, vom visuellen Komfort (Design) über das Wärmemanagement und den akustischen Komfort bis hin zu benutzerfreundlichen Bediensystemen. Mit dem Kauf eines Grammer-Fahrersitzes tätigt jedes Unternehmen eine langfristige und nachhaltige Investition in die Gesundheit seiner Fahrer. Das steigert nicht nur die Zufriedenheit, sondern auch die Leistung und die Motivation.
Können Sie Empfehlungen für die Wahl des richtigen Fahrersitzes und der richtigen Polsterung geben?
„Hier können unsere Händler helfen. Sie können Sie entsprechend beraten und prüfen, welche Sitzmodelle für welche Fahrzeugtypen und Anforderungsprofile geeignet sind. Wir haben eine Checkliste, die Ihnen helfen soll, den Zustand eines gebrauchten Fahrersitzes so gut wie möglich zu beurteilen. Auf dieser Grundlage können dann konkrete Kaufentscheidungen getroffen werden − oder es stellt sich heraus, dass nur ein einzelnes Teil, etwa das Sitzkissen oder eine Armlehne, ersetzt werden muss. Entsprechende Ersatzteile sind über unser umfangreiches Händlernetz schnell und einfach erhältlich.“